Zehenspitzelen

Charakteristik und Ursachen      

Anfänglich wurde der idiopathische Zehenspitzengang fälschlicherweise immer in Zusammenhang mit einer seit Geburt verkürzten Achillessehne beschrieben. Heute sprechen Fachleute von einem pathologischen Gangbild auf Zehenspitzen, das NICHT durch eine neurologische oder orthopädische Grunderkrankung hervorgerufen wird. Charakteristisch für dieses abweichende Gangbild sind:

1. fehlender Fersenkontakt beim ersten Bodenkontakt des Gangzyklus,
2. die Wadenmuskulatur kann zu viel Spannung aufweisen und verkürzen,
3. trotzdem ist das Gangbild aber flüssig und das Rennen in normalem Tempo ist möglich.

Die Ursache ist – wie es das Wort «idiopathisch» bereits impliziert – unbekannt. Familiäre Dispositionen sind bei 32%-40% der betroffenen Kinder zu beobachten, bei 60% davon lässt sich dies allerdings nicht begründen. Ausserdem wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass Dysfunktionen bei der sensorischen Integration von taktilen, propriozeptiven und vestibulären Reizen durch das Gehirn zu beobachten sind. Diese Theorie ist jedoch nicht für alle Patienten anwendbar und gilt es durch weitere Studien zu bekräftigen.

Die Pomarino-Klassifikation

Aktuell setzen sich zwei Klassifikationssysteme für die Beschreibung der Art und des idiopathischen Zehenspitzengangs durch. Ich stelle Ihnen in diesem Text die Pomarino-Klassifikation vor. Der Italienische Arzt Pomarino unterscheidet zwischen drei Typen:

Typ 1:
Zu kurze (herzförmige) Wadenmuskulatur seit Geburt, tiefe Falten über der Achillessehne, verkürzter M.adductor magnus, schmale Ferse, viel Fettpolster auf Höhe Metatarsalen

Typ 2:
Familiäre Prädisposition gegeben, V-Zeichen über der Achillessehne, hypertropher M. gastrocnemius

Typ 3:
Inzidenz bei 4-5 Altersjahren, zeigen teils Fersenkontakt im Gangbild. Bei diesem Typ wird der Zehenspitzengang durch emotionale und kognitive Faktoren wie Angst, Stress, Müdigkeit, Schüchternheit getriggert – was wir übrigens bei vielen Kindern in der Therapie beobachten und durch die Eltern bestätigt wissen.

Behandlungsansätze in der Physiotherapie

So komplex das Klinische Bild eines idiopathischen Zehenspitzengängers erscheint, so vielfältig sind auch die Interventionsansätze. Sehr oft werden die Kinder vom Arzt in die Physiotherapie überwiesen. Dies macht durchaus Sinn, denn zeigen viele Kinder neben dem typischen «Zehenspitzelen» charakteristische Begleitbilder: Schwäche der Gesäss- und Rumpfmuskulatur, überschiessende Reaktion auf taktile Reize an den Füssen, vermindertes Gleichgewicht, Mühe in der Konzentrationsfähigkeit, geringe Arbeitsausdauer, «Luftibuss»-Sein. Und genau bei diesen Begleitsymptomen kann die Physiotherapie erfolgsversprechend ansetzen und einen Beitrag zur besseren «Erdung» der Kinder und im besten Falle zum Rückgang des Zehenspitzengangs beitragen. Behandlungsansätze in der Physiotherapie sind Krafttraining, Dehnen, Haltungskontrolle, Heimprogramm, Aufklärung zum Krankheitsbild und Verlauf sowie Follow-up-Lösungen nach Abschluss der Physiotherapie. Engström & Tedroff, schreiben darüber hinaus, dass im Rahmen der natürlichen Entwicklung 79% der Patienten im Alter von zehn Jahren eine Spontanremission des «Zehenspitzelen» aufweisen. Fördern also auch sie Ihr Kind mit Balancieraufgaben, Stabilisierungsaufgaben und Training für eine starke Bein- und Gesässmuskulatur. Lassen Sie den Kinderfüssen zudem viel Barfuss-Zeit und gehen Sie mit Ihren Kindern auf verschiedenen Untergründen

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